Neue Veröffenlichungen unserer Dozenten:innen

Zuversicht trotz Corona-Blues: Psychologisches Handwerkszeug für Pandemiegeschüttelte

D. Kumbier und C. Bossemeyer
Vandenhoeck & Ruprecht; 6. September 2021

Die Pandemie hat uns aus unserem Alltag gerissen und in eine andere Welt geworfen. Trotz erheblicher Einschränkungen und Bemühungen erweist sich der Weg zurück in eine Normalität als quälend langsam. Was löst all das in uns aus, welche inneren Anteile melden sich in uns zu Wort? Was genau macht die Situation so unerträglich, warum gewöhnen wir uns nur begrenzt an die äußere und innere Situation, warum werden so viele mehr oder weniger depressiv? Was kann uns helfen, diese Situation psychisch möglichst gut zu überstehen und anderen in Therapie, Beratung, Schule und Klinik dabei zu helfen? Und was können wir aus diesen Erfahrungen womöglich für die Bewältigung anderer Krisen lernen? Wer nach passender Ausrüstung für die Reise in die Nach-Corona-Zeit sucht, wird in diesem Buch unserer Kolleginnen Dagmar Kumbier und Constanze Bossemeyer fündig.


Lesen Sie hier das Vorwort von Friedemann Schulz von Thun:

DIE INNENSEITE DER PANDEMIE. EIN VORWORT VON FRIEDEMANN SCHULZ VON THUN

Die Pandemie COVID-19 bedeutet nicht nur gesundheitliche Bedrohung, ist nicht nur eine „demokratische Zumutung“ (Angela Merkel), sondern auch eine herbe Zumutung für die Seele. Sie attackiert unser Lebensgefühl und kann uns an den Rand der Zermürbung und der Verzweiflung bringen. Aber das kollektive Schicksal erweist sich bei näherem Hinsehen doch als hochindividuell – je nachdem, an welcher Ecke ich betroffen bin und wie ich darauf reagiere.

Dieses Buch von Dagmar Kumbier und Constanze Bossemeyer handelt von der Innenseite der Pandemie, von unserem seelischen Betroffensein, von unserer Verstörung und von unserer Art und Weise, damit umzugehen und damit fertig zu werden. Die Seele ist der Ort, so erkennen wir bei der Lektüre, wo Betroffenheit und Widerstandsfähigkeit einander begegnen. Die Betroffenheit: was das alles mit mir macht und wie es mich verstört. Die Widerstandsfähigkeit: wie ich damit fertig werde, wie es mir gelingt, aus der Not vielleicht sogar eine Tugend zu machen und meine Lebensfreude auch unter erschwerten Bedingungen zu bewahren oder zurückzugewinnen. Die Seele ist der Ort, wo der Kummer und das Sichkümmern im selben Haus wohnen, ebenso ist es mit der Sorge und der Besorgnis, der Fürsorge und der Selbstfürsorge.

In wunderbarer Weise werden wir in diesem Buch dazu ermutigt, eine Fachfrau und ein Fachmann in eigener Sache zu werden! Wir erfahren zunächst, dass man den Phönix nicht zu früh aus der Asche ziehen darf: Die verstörten Anteile in uns wollen erst einmal (an)erkannt und erhört sein, brauchen erst einmal Verständnis und einen liebevollen Schutz. Sodann lernen wir, dass die innere Schutztruppe, die schnell aufmarschiert, wenn Verletzlichkeit und Schmerz sich breitzumachen drohen, zwar erst einmal erfolgreich sein kann, aber auch neue Gefahren heraufbeschwört. Zum Beispiel kann es mir zunächst helfen, innere Ohnmacht und Angst dadurch einzudämmen, dass ich mit Empörung und Verächtlichkeit auf die vermeintlichen Versager losgehe, die uns all das eingebrockt haben oder doch jedenfalls bei der Bekämpfung dilettantisch versagt haben. So entsteht Unfrieden im Land, wo Kooperation und Solidarität heilsam wären. Die Autorinnen zeigen eindrücklich, wie viele neue Polarisierungen entstehen, wenn Menschen unterschiedlicher Persönlichkeit ihre Abwehrformen entwickeln – und wie dann zwischenmenschlich die Welten aufeinanderprallen, zuweilen ziemlich erbittert und unversöhnlich. Letztlich bleibt auch innermenschlich Unfrieden in der Seele.

Dieses Buch bietet nicht nur Aufklärung über das, was „innendrin“ geschieht, sondern auch eine Anleitung, wie ich damit konstruktiv und heilsam umgehen kann – sei es als Angehörige(r) eines helfenden Berufes, sei es im Umgang mit meinen Nächsten im privaten Leben oder sei es zuallererst und zuallerletzt ganz für mich selbst. So wie dieses Buch geschrieben ist, kann das sogar Freude machen. Immer wieder erweist sich die Modellvorstellung vom Inneren Team als ein „bildgebendes Verfahren“: Bunte Bilder, mit Liebe und Scharfsinn handgemalt, erleichtern das Verständnis dessen, was in unserer Seele geschieht. Und immer wieder gibt es Übungen, um das kognitiv Verstandene mit dem eigenen Erleben in Beziehung zu setzen.
Das Inneren Team ist erfunden worden, um uns Menschen zu ermöglichen, selbstgeklärt und authentisch miteinander zu reden. Hier in diesem Buch dient es der Selbstaufklärung in Krisenzeiten. Es fügt sich glücklich, dass die beiden Autorinnen das Innere Team sowohl in psychotherapeutischer Praxis als auch in ihren Veröffentlichungen vertieft haben – Dagmar Kumbier (2019) für den Umgang mit schweren Krankheiten, Constanze Bossemeyer (2020) für Adoptiveltern von meist traumatisierten Kindern.

Diese Pandemie wird vermutlich nicht die letzte Krise in unserem Leben bleiben. Vor diesem Hintergrund darf man diesem Buch bleibenden Erfolg wünschen, auch wenn wir um Himmels Willen nicht wünschen, dass es seine Aktualität infolge einer Verewigung des Pandemiegeschehens auf Erden bewahrt. Das „psychologische Handwerkszeug für Pandemiegeschüttelte“ taugt – und das sei hier als Geheimtipp verraten – ebenfalls für uns alle, die wir vom Leben immer einmal wieder gebeutelt werden, wodurch auch immer. Ein wenig werden wir dann befähigt sein, die Zumutung in eine Herausforderung zu verwandeln – und die im Buchtitel verheißene Zuversicht winkt lächelnd am Ende des Tunnels. Und das Schöne ist: Man sieht sie schon von weitem!

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