Neue Veröffenlichung

Praxisbuch Kommunikation für Adoptiv- und Pflegeeltern: Das Innere Team: Hilfen im Umgang

Constanze Bossemeyer
Vandenhoeck & Ruprecht, 1. 2021

Unsere Kollegin Constanze Bossemeyer gibt in diesem Buch Eltern für den Umgang mit ihren Adoptivkindern nützliches Handwerkszeug aus der Kommunikationspsychologie an die Hand: menschlich und professionell fundiert und anschaulich dargestellt, nicht zuletzt dank der vielzähligen farbigen Illustrationen.

Lesen Sie hier das Vorwort von Friedemann Schulz von Thun:

Vorwort

„Kinder fordern uns heraus“ – so der Titel eines Buches von Rudolf Dreikurs aus dem letzten Jahrhundert. Dem ist auch heute, nahezu 50 Jahre später, nichts hinzuzufügen, außer vielleicht: Wenn es um Adoptiv– und Pflegekinder geht, dann kann es doppelt und dreifach zutreffen. Dieses wird mir klar, wenn ich das Manuskript von Constanze Bossemeyers neuem Buch lese.

Haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ein Adoptiv- oder ein Pflegekind? Oder sogar mehrere? Dann werden Sie sich von diesem Buch angesprochen fühlen, im doppelten Wortsinn. Eine wunderbare Lektüre steht Ihnen bevor! Dem Text und den Abbildungen merkt man an, dass sie mit Liebe geschrieben und gezeichnet sind. Und zugleich mit einem enormen Sachverstand, was die Seele des Menschen im Allgemeinen und die Seele des Adoptiv– und Pflegekindes im Besonderen angeht.

Ein Glücksfall: Die Autorin vereinigt in ihrer Person drei Zugänge zu der besonderen Herausforderung: Zum einen ist sie als Wissenschaftlerin ein Kind der Hamburger Kommunikationspsychologie, zum zweiten hat sie sich eingehend mit Trauma-Psychologie befasst, und zum dritten ist sie Mutter eines Adoptivkindes, also Praktikerin mit Kopf, Herz, Hand und Fuß, die immer weiß, wovon sie redet und schreibt.
Dass ihre Expertise in der Hamburger Kommunikationspsychologie gute Perspektiven für das ganze Thema eröffnet, hat die Praktikerin bald erkannt. Vor allem mit dem Modell des Inneren Teams eröffnet sie uns ein tiefgreifendes Verständnis für das Kind – und ganz speziell für das Adoptiv- und Pflegekind. Nanu, wäre denn hier nicht die prinzipielle Gleichheit mit jedem normalen leiblichen Kind zu betonen? Vieles ist gleich, und jede Kindheit ist einmalig und besonders. Aber es ist notwendig, die Besonderheit eines Adoptiv– und Pflegekindes kundig ins Auge zu fassen. Sie liegt im hochwahrscheinlichen traumatischen Hintergrund, so die Verfasserin. Um diese Besonderheit zu begreifen, und zwar nicht als professionelle Tiefenpsychologin, sondern als betroffener, liebender und handelnder Mensch, eröffnet die Autorin mithilfe des Inneren Teams tiefe Einsichten, die auch und gerade dann Empathie ermöglichen, wo sonst verständnisloses Kopfschütteln, Bestürzung, Verzweiflung oder Wut allzu menschlich wären. Ach so, was mich als Mutter / Vater hoch auf die Palme bringt oder tief in die Mutlosigkeit abstürzen lässt – das ist eine Reaktion des Kindes, die es jetzt braucht, um sein bedrohtes Gleichgewicht zu retten!? Was für eine wertvolle neue Brille auf das Geschehen!

Aber klar, solche Erkenntnisse werden nicht dazu führen können, dass ich als Erzieher(in) in allen Lebenslagen und in jeder emotionalen Turbulenz die lupenreinen Reaktionen zeigen kann, die vor dem Hintergrund von Verstehen und Verständnis und in Hinblick auf konstruktive Folgewirkungen optimal wären. Und was heißt schon optimal, wenn ich selbst an meine Grenzen komme und auch sehen muss, mich selbst bei Laune zu halten? Daher nutzt die Autorin im zweiten Teil ihres Buches das Innere Team, um die Selbsterforschung der Erzieherin anzuleiten: Wer ist das in mir, die mir da zu schaffen macht? Wie kann ich mit diesem Teil heilsam umgehen, wie kann ich mich insgesamt gut aufstellen, um der Situation gewachsen zu sein, mit pädagogisch heilsamer Wirkung? Im Zwischenmenschlichen gelingt kluges Handeln nur dann, wenn die inneren Voraussetzungen gegeben sind, oder im Ernstfall wiederhergestellt werden können. Willst du ein guter Erzieher sein, dann schau auch in dich selbst hinein!

Im letzten und dritten Teil des Buches („Handwerkszeuge“) werden weitere Modelle und Methoden der Hamburger Kommunikationspsychologie für das Erziehungsgeschehen nutzbar gemacht. Die Chancen, die sich hier eröffnen, sind nicht nur für Adoptiv- und Pflegeeltern aussichtsreich, sondern für Eltern und Erzieher überhaupt. Vielleicht sollte ein solches Buch auch einmal geschrieben werden? Vielleicht in der Art wie dieses, wo es Conny so meisterhaft gelingt, Kopf und Herz zusammen zu führen? Ach, wären doch alle Bücher so geschrieben: hoch verständlich, mit menschlichen Abbildungen für die Kerngedanken, mit nachvollziehbaren Lebensbeispielen für die generellen Erkenntnisse! Aber bevor ich hier wortreich ins Schwärmen gerate… – lesen Sie am besten selbst!

Friedemann Schulz von Thun

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